Mit einer ermutigenden und in Teilen selbstironischen Festrede hat Bundeskanzler Olaf Scholz das Publikum beim traditionellen Montagsempfang der Stadt Vechta auf dem Stoppelmarkt begeistert. Vor rund 800 Gästen in Kühlings Niedersachsenhalle lobte er die Tatkraft und Weltoffenheit der Menschen im Oldenburger Münsterland. Scholz widerlegte in seiner gut 20-minütigen Ansprache die Befürchtungen derer, die ihm eine begeisternde Rede in einem Volkfestzelt nicht wirklich zugetraut hatten. Vechtas Bürgermeister Kristian Kater stellte während der stehenden Ovation für Scholz fest: „Unser Bundeskanzler kann Stoppelmarkt!“
Scholz gestand: „Vor dieser Rede hatte ich mehr Manschetten als vor der Rede vor den Vereinten Nationen.“ Einige Partei- und Regierungskollegen, von Lars Klingbeil über Hubertus Heil bis Boris Pistorius hätten ihm – offenbar etwas skeptisch – mit auf den Weg gegeben, auf dem Stoppelmarkt auch lustig sein zu müssen. Mit Blick auf die Stoppelmarkt-Festrede des karnevalserprobten Rheinländers Wolfgang Bosbach im vergangenen Jahr sagte Scholz: „Das war bestimmt super. Und jetzt habt ihr mich.“ Mit solchen Anspielungen auf seine vermeintlich trockene norddeutsche Art punktete der gebürtige Osnabrücker, der in Hamburg aufwuchs und Erster Regierender Bürgermeister der Hansestadt war.
Er zeigte ausgesprochen gute Kenntnisse über Vechta und die Region, die noch vor gar nicht so langer Zeit nicht für besonderen Wohlstand gestanden, eher als Armenhaus des Landes gegolten habe. „Was würden wohl unsere Großeltern sagen, wenn sie die schicken Häuser und Höfe, die Innenstädte und die schönen Autos sehen würden“, fragte Scholz. Die Region sei „ein Vorbild für das ganze Land“ und unter anderem auch das „Silicon Valley der Agrartechnologie“. Sie stehe für „Heimat und Weltoffenheit. Das kann man von diesem Landstrich lernen.“
Scholz sprach auch die großen Herausforderungen dieser Zeit an - Corona, die Folgen des Ukraine-Kriegs, die Energiekrise, die steigenden Strompreise, die Inflation, die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge. „Natürlich leben wir in schwierigen Zeiten. Und ich kann jeden verstehen, der fragt: Wo soll das hinführen? Aber wir haben die Herausforderungen bewältigt“, betonte Scholz. „Das zeigt uns, was wir in uns und aneinander haben. Viele packen mit an, viele helfen, viele legen nicht die Hände in den Schoß und meckern von der Seitenlinie. Das zeichnet unser Land aus. Machen wir uns nicht kleiner als wir sind.“
Vechtas Bürgermeister Kristian Kater wies in seiner Begrüßung auf die besondere Bedeutung des Besuchs hin. Erstmals hielt ein amtierender Bundeskanzler die Festrede auf dem Stoppelmarkt. „Deine Anwesenheit ist die größte Wertschätzung für alle Schausteller des Marktes, für die Menschen in der Region und natürlich für den Stoppelmarkt in Vechta“, sagte Kater zu Scholz. Kater konnte auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil begrüßen. Weil ordnete in seiner gewohnt launigen Ansprache den Besuch des Kanzlers ein: „Hiermit ist seitens der Bundesrepublik Deutschland bestätigt: Der Stoppelmarkt ist der Gipfel der guten Laune und hat nationale Bedeutung. Er ist sozusagen nationales Kulturerbe.“
Vor den Zelteingängen erreichte das Stoppelmarktleben inzwischen den nächsten Höhepunkt. Zehntausende Menschen feierten noch lange Vechtas fünfte Jahreszeit, die am Dienstag mit dem Feuerwerk endet.